GLANZVOLLE REIFEPRÜFUNG

MASSETO, DAS KULTGUT IM TOSKANISCHEN BOLGHERI, WURDE 2018 ERWACHSEN: MIT DEM BAU DES EIGENEN KELLERS ENTLIESSEN ES SEINE BESITZER IN DIE UNABHÄNGIGKEIT VOM MUTTERGUT ORNELLAIA. NUN WILL ES ZEIGEN, DASS SEINE WEINE NICHT NUR IN IHRER JUGEND ÜBERWÄLTIGEN, SONDERN AUCH HERVORRAGEND ALTERN KÖNNEN. BEI SOTHEBY’S IN PARIS WIRD DESHALB IN DIESEM FRÜHJAHR EINE REIHE VON JAHRGÄNGEN DIREKT AUS DER GUTSEIGENEN SCHATZKAMMER VERSTEIGERT, UND FINE WAR FÜR DEUTSCHLAND EXKLUSIV ZU EINER VORVERKOSTUNG DER SUPERLATIVE EINGELADEN

Von STEFAN PEGATZKY Fotos JOHANNES GRAU

Das Wunder geschieht am Ende des Barriquekellers für das zweite Jahr der Lagerung. Während Gutsdirektor Axel Heinz über unterschiedliche Fassqualitäten spricht, öffnet sich wie von Zauberhand eine zunächst unsichtbare Tür in der scheinbar massiven Steinmauer vor uns. Wir stehen vor dem Zugang zum Allerheiligsten von Masseto, seiner Schatzkammer mit Weinen von der Premiere 1986 bis zum aktuellen Jahrgang. Dieser Masseto Caveau ist das flüssige Archiv des Weinguts, seine Bibliothek, sein Gedächtnis. Gut 20 000 Flaschen ruhen hier Wand an Wand noch unetikettiert in Edelstahlgittern, lediglich einige Holzquader mit eingefrästen Jahreszahlen sorgen für Orientierung. Üblicherweise ist der Raum völlig dunkel, bei Besuch geben ihm gleißende Lichtschienen an Boden und Decke eine sakrale Aura. Nicht nur Weinsammlern verschlägt es bei diesem Anblick buchstäblich die Sprache. Erwarten konnte das wohl niemand, als die Verantwortlichen der Tenuta dell’Ornellaia 1986 beschlossen, einen separaten Merlot Toscano zu erzeugen. Erst im Vorjahr war ihr Tafelwein Ornellaia, ein Projekt von Marchese Lodovico Antinori und Weinmacher Tibor Gál, zum ersten Mal gefüllt worden. Stärker als beim Nachbarn und Vorbild Sassicaia, einer Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, sollte der Blend des Ornellaia an Bordeaux-Weinen ausgerichtet sein, und so waren bei den ersten Pflanzungen 1982 auch Merlot-Parzellen.


Den Masseto über La Place de Bordeaux zu vertreiben, signalisierte höchste Ansprüche


Erwarten konnte das wohl niemand, als die Verantwortlichen der Tenuta dell’Ornellaia 1986 beschlossen, einen separaten Merlot Toscano zu erzeugen. Erst im Vorjahr war ihr Tafelwein Ornellaia, ein Projekt von Marchese Lodovico Antinori und Weinmacher Tibor Gál, zum ersten Mal gefüllt worden. Stärker als beim Nachbarn und Vorbild Sassicaia, einer Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, sollte der Blend des Ornellaia an Bordeaux-Weinen ausgerichtet sein, und so waren bei den ersten Pflanzungen 1982 auch Merlot-Parzellen angelegt worden. Der legendäre Berater André Tchelistcheff aus dem kalifornischen Napa Valley hatte in unmittelbarer Nähe zu den ursprünglichen Ornellaia-Lagen zudem eine Parzelle mit blauem, eisenhaltigem Tonboden entdeckt, die ihn an die Merlot-Legende Château Pétrus erinnerte. Angeblich hatte er sich mit dem Ohr auf den Boden gelegt und anschließend empfohlen, an dieser Stelle ebenfalls Merlot zu pflanzen. Als der 1984 angelegte Weinberg zwei Jahre später erstmals Früchte trug, hätten sie die Balance des Ornellaia gestört, und so wurde diese Partie Merlot einzeln abgefüllt. 1987 hieß dann der Wein erstmals Masseto nach dem Namen der Parzelle im lokalen Dialekt: masso eto, felsiges Land.

»Wer weiß«, sinniert Axel Heinz beim Gang durch den Weinberg, »ob man heute noch an diesem Ort Merlot pflanzen würde. Heute gibt es viel mehr Parameter, um sich für eine Rebsorte zu entscheiden, als die Beschaffenheit des Untergrunds.« So ist Bolgheri wärmer als das Bordelais, im Zeichen des Klimawandels nicht unkritisch für eine früh reifende Sorte wie Merlot. Andererseits profitieren gerade die Weinberge im östlichen Teil der Zone von ihrer erhöhten Lage und der kühlen Brise vom nahen Tyrrhenischen Meer. Schon das von Wald umgebene Ornellaia war eines der wenigen wirklichen Hügel-Weingüter von Bolgheri, und die Reben von Masseto stehen mit 80 bis 130 Metern über dem Meeresspiegel ein weiteres Stückchen höher. Zudem haben jüngste Bodenanalysen Tchelistcheffs Intuition bestätigt, denn die Qualität der Weine hängt wirklich direkt damit zusammen, wie viel Ton im Boden steckt, nicht zuletzt wegen seiner Fähigkeit, Wasser zu binden und langsam wieder abzugeben. Das aber ist ein zweischneidiges Schwert: In regnerischen Jahren bleiben die Böden dauerhaft feucht, in langen Trockenphasen werden sie hart wie Stein. Das macht, wie Heinz sagt, die Produktion des Masseto zu einem Balanceakt, bei dem man »wie auf einem Hochseil ständig am Rande des Abgrunds wandelt«.

Zudem ist die geologische Situation komplex. Das natürliche Amphitheater, welches die Hügel unterhalb von Castelluccio formen, weist eine Vielzahl von Mikroterroirs auf. Wesentlich ist hier der Abstand der im Pliozän entstandenen Tonschicht zum Felsuntergrund. In der historischen Masseto-Parzelle gleich neben dem Weingut, die heute Masseto Centrale genannt wird, beträgt diese Distanz 80 bis 100 Zentimeter, optimal für die Wurzeln der Reben, um sich mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Im steinigeren und sandigeren Masseto Alto, der höchstgelegenen Parzelle des Guts, sind es dagegen nur gut 40 Zentimeter, wodurch die Reben stärker mit Trockenheit zu kämpfen haben. Die tiefer gelegenen Abschnitte wie der 1995 angelegte Masseto Junior haben Sedimentböden, hier beginnt der Felsuntergrund erst nach gut zwei Metern. Das ergibt ein üppiges Nährstoffangebot, kann aber die Reben wiederum durch hohe Feuchtigkeit unter Stress setzen. Drei Parzellen mit drei unterschiedlichen Voraussetzungen und drei ganz unterschiedlichen Resultaten.

...

Den vollständigen Artikel finen Sie in der FINE 1|23 oder digital in der FINE App (im AppleStore und im Playstore).



Dem prägenden Gutsdirektor Axel Heinz steht neuerdings Kellermeisterin Gaia Cinnirella zur Seite, die vom klassischen Brunello-Gut Biondi-Santi zu Masseto gekommen ist
In den Barriquekellern öffnen sich überraschende Blickachsen. Die Fässer aus französischer Eiche bezieht das Gut der Balance zuliebe von mehreren Küfern und in verschiedenen Modellen

Giovanni Geddes da Filicaja hat als CEO von Marchesi Frescobaldi und Ornellaia den Masseto schon früh voller Überzeugung gefördert. Die Parzelle Masseto Centrale bietet den Wurzeln den optimalen Abstand von Tonschicht und Stein