EIN FEST FÜR ALLE SINNE

DOM PÉRIGNON ERKUNDET NEUE WEGE ZUR VERMITTLUNG SEINER LEGENDÄREN CHAMPAGNER: UNTERSTÜTZT DURCH QUERVERWEISE AUF MALEREI, MUSIK UND KOCHKUNST SOLLEN DIE GENIESSER DER JÜNGST VORGESTELLTEN JAHRGÄNGE NACH DEN WORTEN VON CHEF DE CAVE VINCENT CHAPERON »VOM MYSTERIUM ZUR OFFENBARUNG ÜBERGEHEN«

Von UWE KAUSS

Geschmack war längst nicht alles, als Dom Pérignon vorigen Sommer in Barcelona seinen Jahrgang 2015 sowie den Plénitude P2 2006 vorstellte: Verkostet wurde zu den reduziertrepetierenden Klavierklängen von Erik Saties melancholischer »Gymnopédie No.1« in La Fábrica, jener einstigen Zementfabrik im Vorort Sant Just Desvern, die der Stararchitekt Ricardo Bofill spektakulär für sein Büro und seine Wohnung umgebaut hatte.


Inszenierung mit Anspruch: Die Champagner-Premiere in La Fábrica bot eine effektvolle Lichtführung, dazu saß der prominente französische Pianist Bertrand Chamayou am Flügel


Zudem bat das Champagnerhaus seine Gäste zu der Schau »Trace« ins Ausstellungshaus Palau Martorell in der Altstadt, das zuvor Werke von Marc Chagall präsentiert hatte und sich derzeit bis zum 20. Juli Fernando Botero widmet. Höhepunkt war dort das Materialbild »Grün des Waldes mit Ast« von Giuseppe Penone, einem Hauptvertreter der Arte Povera, aus der Sammlung des Museums für zeitgenössische Kunst in Rochechouart. Für diese Waldlandschaft hat Penone das Chlorophyll und die Säfte von Blättern und anderen Pflanzenteilen auf die Leinwand abgerieben. Die Arbeit thematisiert die physische Berührung zwischen Mensch und Natur anhand der Spuren, die durch den direkten Kontakt mit der Materie entstehen. Dass ein darauf montierter echter Ast Penones Werk zu dem macht, was in der Kunst Assemblage heißt, verstärkt noch die Parallelen zur Entstehung einer Champagner-Cuvée. Folglich wurde diese Jahrgangspremiere zu einem Ereignis in der an Events beileibe nicht armen Fine-Wine-Szene, das trotz angemessenem – und von den Besuchern erwartetem – Luxus weit mehr bot als nur Instagram-Posing und Glamour. Den üblichen auf Hochglanz polierten Veranstaltungen hatten die Organisatoren des berühmten Champagnerhauses mit ihrem Chef de Cave Vincent Chaperon einen Kontrapunkt entgegengesetzt: Ästhetische Kontraste, intellektuelle Prozesse und Tiefgang der Geistes verbanden sich mit kulinarischem Genuss und Hedonismus zu etwas Neuem.

So lautet Saties Vortragsanweisung für sein Klavierstück »Langsam und schmerzlich«. Die Zeichnungen und Fotografien im Palau Martorell wiederum waren Abbildungen und Entsprechungen der Weinbergarbeit im Jahr 2023, in dem Vincent Chaperon schließlich eine weitreichende Entscheidung traf: Aufgrund der Wetterextreme wird Dom Pérignon diesen Jahrgang nie herausbringen. Ganz ohne Probleme sind auch die beiden vorgestellten Champagner nicht entstanden – 2015 war ein zu warmes Jahr, das Chaperon als »außergewöhnlich und rätselhaft« bezeichnet, und das Jahr 2006, aus dem der P2 stammt, verlief ebenfalls schwierig und unregelmäßig, heiß und trocken. Die bei der Premiere vorgeführten künstlerischen Arbeiten und Ausdrucksformen sind als Analogien jener Sackgassen, Wegkreuzungen und Labyrinthe zu verstehen, die einer der besten Weinmacher der Champagne mit seinem Team über die Strecke vieler Jahre samt Tausender Tastings und Hunderter Cuvées gehen muss, um zum Ziel zu kommen. Wenn die jungen Basisweine aus den verschiedenen Lagen und Parzellen verkostet werden, schmecken sie beißend und kratzig, zeigen in der Regel kaum Frucht und eine strenge Säure statt Balance und Eleganz. Jetzt beginnt das Suchen, das Tasten, bei dem Intuition, Handwerk und Erfahrung zu Entscheidungen verschmelzen.

Die Flaschen des Dom Pérignon 2015 sowie des P2 2006 hat der Kellermeister im Januar 2023 degorgieren lassen und Ende 2024 für den Handel freigegeben. Das bedeutet acht Jahre Reifung für den 2015er und rund 17 Jahre für den P2, an deren Ausgangspunkt Chaperon darauf vertrauen musste, dass die Zeit schon das Richtige tun werde. Auch wenn das Ergebnis noch Jahre entfernt vor ihm lag – wie viele Jahre, war kaum abzusehen. Die geistige und sensorische Auseinandersetzung ist das Konzept der jährlich stattfindenden mehrtägigen »Révélations«, die Vincent Chaperon erdacht und 2021 erstmals eröffnet hat. Sie markieren die Vorstellung neuer Dom-Pérignon-Jahrgänge durch die Auseinandersetzung mit einem jeweils eigenen Thema, immer in einer anderen Stadt. Renommierte Köche – in Barcelona waren es Albert Adrià und Niko Romito – werden beauftragt, hochkonzeptionelle Menüs als Bestandteile einer »Reise auf dem kreativen Pfad von Dom Pérignon« zu entwickeln, bei der Kunst und Musik weitere wichtige Rollen spielen. Als Chaperon 2019 die Nachfolge des legendären Kellermeisters Richard Geoffroy antrat, hatte er das Gefühl, es sei für die Menschen weltweit an der Zeit, »vom Mysterium zur Offenbarung überzugehen. Das bedeutet, mehr über das Unsichtbare zu teilen, darüber, was hinter dem Wein steckt.«
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Die Fotoarbeiten in der Ausstellung »Trace« erinnern an das dramatische Wetter, aufgrund dessen es von Dom Pérignon keinen Jahrgang 2023 geben wird

Nebeneinander ergeben die drei Flaschenkartons die Abbildung von Jean-Michel Basquiats »In Italian«, allerdings mit den Etiketten darauf sowie oben und unten beschnitten. Die Kunstedition kommt gut an, sie ist schon fast ausverkauft