FINE 2/2019 - IM ZEICHEN DES SONNENKÖNIGS

LAURENT-PERRIER UND SEIN GRAND SIÈCLE

Von STEFAN PEGATZKY Fotos MARC VOLK

Als das Champagnerhaus Laurent-Perrier 1959 den Grundstein für seine Prestige-Cuvée Grand Siècle legte, schuf es mit einem neuen Konzept ein veritables Zugpferd für seine Marke: Jeweils drei Jahrgänge sollten in einer Assemblage den idealen Champagner bilden. Sechzig Jahre später schärft die neue Besitzergeneration das Profil dieses außergewöhnlichen Weins.


Als Ort exklusiver Veranstaltungen nutzt die Maison Laurent-Perrier das vier Kilometer südöstlich von Reims gelegene Château Louvois. In den Kellern des Weinguts in Tours-sur-Marne reifte auch die Cuvée Rosé Brut, der weltweit erfolgreichste Rosé-Champagner.


Bernard de Nonancourt hatte viel erreicht, seit er 1949 mit achtundzwanzig Jahren die Leitung von Laurent-Perrier übernommen hatte. Unmittelbar nach Kriegsende war das Champagnerhaus mit achtzigtausend verkauften Flaschen in einer prekären Lage – zehn Jahre später waren es schon zweieinhalbmal so viele, die den Keller im beschaulichen Tours-sur- Marne verließen. Doch das war längst nicht genug. Bernard de Nonancourt wollte mehr verkaufen, er wollte bessere Weine verkaufen – und an der Spitze sollte das »Beste vom Besten« stehen. Nachdem er nach Jahren des Experimentierens mit Kellermeister Edouard »Père« Leclerc 1959 den Durchbruch geschafft hatte, versandte der ehemalige Résistance-Kämpfer und Panzerkommandant eine Liste möglicher Namen für den neuen Champagner an renommierte Freunde, darunter einen einstigen Kampfgefährten. Der antwortete postwendend: »Grand Siècle natürlich, Nonancourt. In Freundschaft, Charles de Gaulle.« Im Jahr darauf wurde der Champagner der Öffentlichkeit vorgestellt – anlässlich des 300. Jubiläums der Hochzeit von Sonnenkönig Ludwig XIV. mit Maria Theresia von Spanien, eines der glanzvollsten Ereignisse eben dieses Grand Siècle, wie die Franzosen ihr 17. Jahrhundert bezeichnen. Klein zu denken konnte man Bernard de Nonancourt wahrlich nicht vorwerfen.

Tatsächlich ist die Geschichte des Grand Siècle ohne ihn ebenso wenig denkbar wie die des Champagnerhauses Laurent-Perrier insgesamt. Wenn Stéphane Dalyac, der derzeitige Vorstandsvorsitzende der Maison, heute sagt, Laurent-Perrier sei »eigentlich 1938, mit der Übernahme durch die Familie de Nonancourt, gegründet worden«, so möchte man das noch weiter zuspitzen und das Gründungsdatum auf den 1. Januar 1949 legen, den Tag, an dem Bernard de Nonancourt die Verantwortung in Tours-sur-Marne übertragen wurde. Denn von da an folgten Wachstum und Innovationen in atemraubender Geschwindigkeit. Und es entstand das Haus, wie wir es heute kennen: der viertgrößte Erzeuger und größte Familienbetrieb der Champagne, der trotz Börsennotierung in erster Linie qualitätsgetrieben agiert und ein breites Portfolio an ausgezeichneten, in der Spitze sogar herausragenden Produkten aufweist.

Und doch sind weder das Haus noch seine Champagner ohne die Vorgeschichte zu begreifen. Die begann 1812, als der Küfer André Michel Pierlot aus Chigny-Les-Roses ins gut zwanzig Kilometer südlich gelegene Tours-sur-Marne umzog, weil der Ort für den Versand von Fässern nach Belgien strategisch günstiger lag. Sein in diesem Jahr geborener Sohn Alphonse erwarb bereits mit zwanzig Jahren seine erste Weinbergsparzelle in Mutigny nördlich von Aÿ, und gemeinsam mit Emile Le Roy gründete er 1842 das Champagnerhaus Le Roy Fils et Pierlot und, nachdem die Partnerschaft zerbrach, schließlich A. Pierlot & Cie. In diesen Jahren trat Aurélie Zénaïde Laurent in die Dienste des Junggesellen, ebenso einige Jahre später ihr 1843 geborener Sohn Eugène, der schließlich zum Prokuristen und Kellermeister des expandierenden Betriebs aufstieg. 1858 kaufte Alphonse Pierlot in Tours-sur-Marne ein Haus mit Weinkeller nahe der Parzelle Les Plaisances – den heutigen Sitz der Maison Laurent-Perrier. Nach seinem Tod 1881 erbte Ziehsohn Eugène Laurent das Unternehmen.
Der nutzte die Chance und erwarb mit dem Vermögen seiner Frau Mathilde Emilie Perrier in Tours-sur-Marne zahlreiche Gebäude und weitere Weinbergsflächen. Er ließ die Keller vergrößern und formte das nun Eugène Laurent & Cie. benannte Weingut in seiner heutigen Gestalt. Doch schon sechs Jahre später starb er durch einen Unfall – und wie so häufig in der Champagne übernahm die Witwe. Noch im selben Jahr benannte sie das Unternehmen in Veuve Laurent-Perrier & Cie. um und hatte dank enormer Energie und bester Kontakte bald Erfolg: Sie schuf ein Netz aus besten Traubenlieferanten und positionierte die Marke vor allem in Frankreich und in Großbritannien in vorderster Linie. Mit dem Grand Vin Sans Sucre (Gold Label) – ein Champagner ohne Dosage – der Jahrgänge 1889, 1892 und 1893 lancierte sie eine puristische Cuvée zu einer Zeit, als süß noch in Mode war. 1914 verkaufte das Haus sechshunderttausend Flaschen, und als Mathilde Emilie Perrier 1925 starb, hatte sie achtunddreißig Jahre erfolgreich an der Spitze von Laurent-Perrier gestanden. Unter ihrer Tochter Eugénie Hortense Laurent und deren Ehemann aber versank Laurent-Perrier – nicht zuletzt durch die Weltwirtschaftskrise – in der Bedeutungslosigkeit. 1939 wurde der ganze Besitz samt Weinkeller mit nur noch zehntausend Flaschen verkauft.

Die neue Besitzerin war Marie-Louise Lanson aus der gleichnamigen Champagnerdynastie, auch sie eine Witwe. Ihr Ehemann Charles de Nonancourt war 1924 gestorben. Den vier Kindern war aus Gründen der Erbfolge eine Karriere bei Lanson verwehrt. So hatte Marie-Louise das Haus Laurent-Perrier für ihren ältesten Sohn Maurice erworben – während der zweitgeborene Bernard die Keimzelle der Maison Lanson übernehmen sollte: das Champagnerhaus Delamotte, das seine Mutter nach dem Tod ihres Vaters geerbt und in Le-Mesnil-sur-Oger wiederbelebt hatte. Angeleitet durch Henri Gondry, den Generaldirektor von Lanson, hatte Bernard de Nonancourt schon früh Hand mit angelegt, schließlich hatte ihn schon sein Großvater Lanson als Belohnung für gute Schulnoten Stillweine probieren lassen. Doch dann kam der Krieg, und die beiden Brüder schlossen sich der Résistance an. Während Maurice im Konzentrationslager Oranienburg starb, kehrte Bernard als Kriegsheld des Freien Frankreich nach Tours-sur-Marne zurück. Nach mehrjähriger Einarbeitung bei Delamotte – wo dann der jüngste Bruder Charles seinen Platz einnahm – wurde er schließlich 1949, mit achtundzwanzig Jahren, Generaldirektor von Laurent-Perrier.

...

Wenn Sie weiterlesen möchten, haben Sie die Möglichkeit, die Ausgabe zu kaufen.
Den vollständigen Artikel erhalten Sie in der FINE 2/19 oder digital auf der FINE App im AppleStore und im Playstore.

Seit 2014 lenkt der Agraringenieur Stéphane Dalyac als CEO die Geschicke des Hauses.
Als Huldigung an das 17. Jahrhundert, die glanzvolle Zeit Ludwigs XIV., versteht die Maison Laurent-Perrier den Champagne Grand Siècle. Der will sorgsam behandelt werden: Die dünne Öffnung der Schwanenhalsflasche soll wenig Luftkontakt zulassen.